#freitagsritual
Rückblickend auf die letzten drei Monate habe ich mich gefragt, wie ich eigentlich "durch" die Krise gekommen bin, ohne einfach zusammenzubrechen und den Mut gänzlich zu verlieren. Wie konnte ich weitergehen? Hier ein ermutigender Rückblick, der mich mit anderen Menschen verbindet.
Ein Stück Brot und eine Sauciere mit Wasser
damit fing es an. Vor dem Lockdown saß ich mit anderen am Freitag, dem 13.3.20, in der katholischen Sankt Ludgerus Kirche auf Norderney im Kreis. Wir hatten ein Woche miteinander verbracht und zum Thema „Weite“ Texte geschrieben. Andachten und das Leben gefeiert. Alles war richtig gut.
Und dann feierten wir diesen Abschlussgottesdienst. Wir hörten von Elia. Am Bach Krit. Er war erschöpft und ein Engel kam, reichte ihm Brot und Wasser. Und dann steht jemand auf und bringt mir Brot und Wasser mit den Worten, die auch Elia damals vom Engel zugesprochen bekam:
„Iss und trink, denn du hast einen weiten Weg vor dir.“
Und ich erinnere mich. Ich nahm es dankbar und trank in vollen Zügen das Wasser. Und es tat so gut und ich aß das Brot. Kaute es – wollte nichts verpassen von diesem Brot. Alles schmecken. Ich wusste: es ist kein Abendmahl - aber in diesem Moment war es eine Kraftquelle für den Weg.
Und dann wurde der Weg durch die Krise wirklich weit. Und alles abgesagt. Ich war sechs Tage zuhause und niedergeschlagen, weil alles anders war. Mit Maske und auf Distanz. Ich fühlte mich nicht systemrelevant. Überflüssig und war erschöpft von den vielen Veränderungen und Einbrüchen, Absagen und hatte keine Worte für unangemessene Verhaltensweisen, die ich hinnehmen musste. Ob ich wollte oder nicht.
Und ich dachte an Elia. Der nicht mehr konnte. Und am nächsten Tag war Freitag, der 20.03.20. Da tat ich etwas: Ich nahm mir Wasser und Brot mit nach draußen. Setzte mich in den Garten. Mit dem Rücken lehnte ich mich an die grüne Scheunenwand. Erinnerte mich an Elia. An die Worte, die der Engel gesagt hat: "Iss und trink, denn du hast einen weiten Weg vor dir." Und ich aß und trank und bedankte mich bei Gott. Und dann schrieb ich meinen neuen Verbündeten von dem Schreibseminar davon. Schickte ihnen ein Foto. Und plötzlich machten sie es auch so. Jede, jeder für sich. Da wo wir gerade waren. Wir schickten uns Fotos von dort, wo wir gerade waren: im Garten, im Büro, auf der Terrasse und dem Balkon - in Berlin und in der Nähe von Erfurt, in Aachen und auf Norderney, in Amelinghausen und Sittensen.
Und seitdem haben wir es jeden Freitag gemacht und uns gegenseitig erinnert und erinnern lassen. Die Worte wie Elia gehört, getrunken und gegessen. Oft Wasser und Brot. Aber auch das, was einfach da war... ein Müsliriegel, ein Honigbrötchen, neulich hat es auch mal einer mit Pommes gemacht. Bei Twitter haben wir uns Fotos geschickt und uns verlinkt.
Es wurde mein Freitagsritual - oder besser unser Freitagsritual… Seit dem 13.3.20 - jeden Freitagmorgen. Irgendwann vor dem Mittagessen. Es hat mir Kraft gegeben, einen klaren Kopf zu behalten und auf Gott zu vertrauen. Dafür bin ich Gott sehr dankbar. Und es hat mich verbunden mit Anja, Andrea, Christian, Esther, Hanna und Siri, seit ein paar Wochen auch mit Andrea in Berlin - sie kenne ich nur aus dem Internet.
Wir sind verbunden und bekommen neue Kraft.
Jeden Freitagvormittag. #freitagsritual